Suizidstatistiken in Deutschland
Jedes Jahr veröffentlicht das Statistische Bundesamt die Todesursachenstatistik für Deutschland. Das NaSPro publiziert regelmäßig eine graphische Darstellung der Entwicklungen der Suizidstatistik.
Den aktuellen Foliensatz für das Jahr 2024 können Sie hier downloaden.
Suizide in Deutschland 2024
Die folgenden Angaben zu den vollendeten Suiziden 2024 beziehen sich auf die jährlich aktualisierte Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes.
Die Angaben beruhen auf der Auswertung der Todesbescheinigungen. Die Todesursachen werden in den Bundesländern für die dort gemeldeten Einwohnerinnen und Einwohner dokumentiert und an das Statistische Bundesamt gemeldet.
Da Daten zu den Suizidversuchen nicht systematisch erhoben werden, handelt es sich bei den hier gemachten Angaben um Schätzungen auf der Basis von Ergebnissen kleinerer Erhebungsgebiete, wie beispielsweise im Rahmen der Studie „Monitoring Suicidal Behaviour in Europe" (publiziert in Schmidtke et al. 2001, 2004)*.
Das Statistische Bundesamt ist gemäß §16 Bundestatistikgesetz dazu verpflichtet, Daten, die Rückschlüsse aus Einzelpersonen zulassen, unkenntlich zu machen. Dies ist immer dann der Fall, wenn drei oder weniger Fälle in einer Zelle verzeichnet sind. Die Autor:innen haben sich entschieden, diese sogenannten Geheimhaltungsfälle in der Statistik mit dem Wert „null" zu führen, sodass es zu minimalen Abweichungen in den Darstellungen kommen kann.
Die Auswertungen des statistischen Bundesamtes sehen nur die Kategorien „männlich" und „weiblich" vor, sodass keine Angaben zu Menschen gemacht werden können, die sich nicht dem binären System zuordnen.
Die Anzahl der Suizide und die jeweilige Suizidziffer sind immer das Ergebnis sehr unterschiedlicher und gegenläufiger oder sich aufhebender Gegebenheiten.
Einfluss auf die Suizidhäufigkeit haben u.a.:
- Der Zustand und die Entwicklung der medizinischen Versorgung.
- Die demographische Entwicklung.
- Sozioökonomische Entwicklungen.
- Regionale Besonderheiten.
- Die Berichterstattung in den Medien.
- Die Verfügbarkeit und die Bekanntheit von Suizidmethoden.
- Die Form und Zuverlässigkeit der Ausstellung der Todesbescheinigungen.
- Suizidpräventive Initiativen.
- ...
Vor diesem Hintergrund verbieten sich eine vorschnelle Interpretationen der vorliegenden Daten. Diese ist erst nach einer genaueren wissenschaftlichen Analyse möglich.
Die Verwendung der Folien sind mit Quellenangabe erlaubt.
* Schmidtke et al. (2001), Suicidal behaviour in Europe: results from the WHO/Euro multicentre study on suicidal behaviour
- 10.372 Menschen starben in Deutschland im Jahr 2024 durch Suizid.1
- Weit über 100.000 Menschen unternahmen im Jahr 2024 einen Suizidversuch.1
- Mehr als 61.000 Menschen verloren im Jahr 2024 einen ihnen nahestehenden Menschen durch Suizid. Nicht selten benötigen auch sie Unterstützung (nach Angabe der WHO sind von einem Suizid im Durchschnitt mindestens sechs nahe stehende Menschen betroffen).2
Das bedeutet3:
- Alle 51 Minuten nimmt sich ein Mensch selbst das Leben.
- Alle 5 Minuten findet ein Suizidversuch statt.
- In den letzten 10 Jahren starben über 96.810 Menschen durch Suizid.
- In den letzten 10 Jahren gab es in Deutschland weit über 1 Million Suizidversuche.
- In den letzten 10 Jahren sind in Deutschland zwischen 500.000 und 1 Million Menschen von dem Suizid eines nahen stehenden Menschen betroffen.
- Alle 9 Minuten verliert in Deutschland jemand einen nahen stehenden Menschen durch Suizid.
1 Die Angaben über vollendete Suizide beruhen auf den Angaben des Statistischen Bundesamtes (Nov 2024). Da Daten zu den Suizidversuchen nicht systematisch erhoben werden, sind die Angaben Schätzungen auf Basis der Ergebnisse in kleineren Erhebungsgebieten im Rahmen der Studie „Monitoring Suicidal Behaviour in Europe“ (publiziert in Schmidtke et al. 2001, 2004).
2 Die Angabe von 6 betroffenen Angehörigen durch einen Suizid beruht ursprünglich auf einer Behauptung von Shneidman (1973) und tradierte sich als Schätzung bis hinein in WHO Publikationen. Eine erste Überprüfung von Berman (2011) ergab, dass die Schätzung den Kreis sehr nahestehenden Betroffenen relativ gut erfasste, dass aber darüber hinaus noch weitere Menschen betroffen sind.
3 Weitergehende Berechnungen durch K. Wache.
Einflüsse auf die Häufigkeit von Suiziden
Die Anzahl der Suizide und die jeweilige Suizidrate sind immer das Ergebnis sehr unterschiedlicher, gegenläufiger oder sich aufhebender Bedingungen.
Beispiele für Faktoren, die sich positiv oder negativ auf die Suizidraten auswirken können.
Die Suizidrate oder Suizidziffer ist die Berechnung der Anzahl der Verstorbenen bezogen auf 100.000 Lebende der jeweiligen Gruppe. Auf diese Weise werden auch unterschiedlich große Gruppen vergleichbar. Weitere Standardisierungen (z.B. altersstandardisierte Daten) werden in der folgenden Darstellung nicht verwendet.
Vergleich zu anderen Todesursachen
Entwicklung der Zahlen
Im Jahr 2024 ist die Gesamtzahl der Suizide um 68 Fälle auf 10.372 um 0,6 % gestiegen. Der Anteil der Männer an den Suiziden beträgt 71,5 %. Der stärkste Rückgang der Suizidhäufigkeit war in den 1980er Jahren zu verzeichnen. Vom Höchststand 1981 (18.825 Fälle) ging die Zahl der Suizide um 41% auf 11.065 Fälle im Jahr 2000 zurück. Bis zum Jahr 2021 ging die Zahl der Suizide um weitere 18% auf 9.215 Fälle zurück. Seit 2021 stieg die Anzahl der Suizide um 12,6%.
In dieser und den folgenden Abbildungen sind die Daten von 1980 bis 2000 in Fünfjahresschritten dargestellt.
Die Entwicklung des Suizidgeschehens in Deutschland wird durch die Suizidziffer, d.h. die Anzahl der Suizide pro 100.000 Einwohner und Einwohnerinnen, genauer erfasst. Dadurch wird der Einfluss der unterschiedlichen Bevölkerungsgröße in den einzelnen Jahren ausgeglichen. Eine prozentuale Veränderung der Anzahl der Suizide kann sich deswegen von der Veränderung der Suizidrate unterscheiden.
Die Suizidrate ist insgesamt im Jahr 2024 gegenüber dem Wert von 12,2 im Vorjahr auf 12,4 gestiegen. Bei den Frauen stieg die Suizidrate von 6,6 auf 7,0 bei den Männern stieg sie leicht von 17,9 auf 18,0.
Information zum Rückgang der Suizidzahlen in den achtziger Jahren
Einen besonders deutlichen Rückgang der Suizide hat es in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts gegeben. Auch hier ist es nicht möglich, Ursachen eindeutig zu identifizieren. Folgende Bedingungen können diese Entwicklung beeinflusst haben:
- Das durchschnittliche Lebensalter der Bevölkerung wurde sank.
- Die Psychiatriereform führte zur Auflösung der großen Landeskrankenhäuser und zu dem wohnortnahen Aufbau von
psychiatrischen Kliniken und Abteilungen. Dazu kam der leichtere Zugang zur psychiatrischen Versorgung durch die Einrichtung
von psychiatrischen Ambulanzen. - Bessere Behandlungsmöglichkeiten für Erkrankungen mit hohem Suizidrisiko, wie Depressionen oder Suchterkrankungen.
- Bessere Notfallversorgung und Verbesserung der Behandlungen nach Suizidversuch.
- Programme für Risikogruppen für Suizid, z.B. in der Suchtprävention.
- …
Demgegenüber stehen tendenziell „suizidfördernde“ Faktoren, wie z.B. die Zunahme der Arbeitslosigkeit.
Bundesländer
Zwischen den Bundesländern gibt es große Unterschiede im Suizidgeschehen. Im Jahr 2024 hatten Mecklenburg Vorpommern (16,6), Sachsen (15,9) und Sachsen-Anhalt (15,7) die höchsten Suizidziffern.
Am stärksten gestiegen ist die Suizidziffer in Bremen (+2,2) und Mecklenburg-Vorpommern (+2,0). Das Saarland (8,3) und Nordrhein-Westfalen (10,2) haben die niedrigste Suizidziffer. In fünf Bundesländern gab es einen Rückgang der Suizidziffer. Berlin hat die höchste Suizidziffer bei Frauen (11,1) und Mecklenburg-Vorpommern bei Männern (27,2).
Die niedrigste Suizidziffer hat das Saarland bei Frauen (2,7) und Hamburg bei Männern (13,1).
Suizid im höheren Lebensalter
Auch in absoluten Zahlen übersteigt im Jahr 2024 die Anzahl der Suizide von Männern in allen Altersgruppen die Anzahl der Suizide von Frauen deutlich: 71,5% aller Suizide im Jahr 2024 entfallen auf Männer (7.414) und 28,5% auf Frauen (2.958).
Die deutliche Mehrheit der Suizide entfällt auf die Altersgruppe der über 50-Jährigen (73 ,8%, 7.656 Fälle). 72% der durch Suizid verstorbenen Männer (5.311) und 79% der durch Suizid verstorbenen Frauen (2.345) haben das 50. Lebensjahr überschritten.
In Deutschland steigt die Suizidrate bzw. das Suizidrisiko mit dem Lebensalter an (das sog. „ungarisches Muster“). Die Suizidrate der Männer ist in allen Altersgruppen deutlich höher als die der Frauen. Insbesondere steigt sie bei den Männern ab dem 70. Lebensjahr deutlich. Aber auch jede zweite durch Suizid verstorbene Frau ist älter als 60 Jahre. Beträgt die Suizidrate im Jahr 2024 bei den 20- bis 25-jährigen Männern 8,9 (Frauen: 3,6), so steigt sie bei den 85- bis 90-jährigen Männern auf 80,3 (Frauen: 25,6).
Suizide im Jugendalter
Beim Vergleich der absoluten Zahlen mit dem Vorjahr (2023) fällt auf, dass sie bei den jüngeren Menschen keine erheblichen Änderungen gegeben hat. Bei über 25-jährigen Personen hat einen Anstieg nach einem Rückgang im Jahr davor gegeben hat.
Bei den kleinen Fallzahlen in den Altersgruppen können diese Veränderungen in der normalen Schwankungsbreite liegen.
In allen Altersgruppen gibt es einen deutlichen Rückgang der Anzahl der Suizide im Vergleich zum Jahr 2000.
Beim Vergleich der absoluten Zahlen mit dem Vorjahr (2023) fällt auf, dass sie bei den jüngeren Menschen (10 bis bis unter 25 Jahre) nahezu gleich geblieben ist. und es bei über 25-jährigen Personen einen Rückgang gegeben hat.
Bei der kleinen Fallzahlen in den Altersgruppen können diese Veränderungen in der normalen Schwankungsbreite liegen.
In allen Altersgruppen gibt es einen deutlichen Rückgang der Anzahl der Suizide im Vergleich zum Jahr 2000.
Methoden
Bei den Suizidmethoden dominierte 2024 das Erhängen (4.037) deutlich. Es folgen Medikamente mit 2.002 Fällen, sonstige Methoden 1, (1.443), Sturz (983), Schusswaffen (735, fast ausschließlich Männer) und das „sich vor ein bewegendes Objekt legen“ (512). Danach folgen Gase (362), Ertrinken (225) und Suizid durch Rauch/ Feuer (70). Nach wie vor ist Erhängen die mit Abstand häufigste Suizidmethode in Deutschland. 45% der Männer und 25% der Frauen wählen diese Methode.
* Auflistung sonstiger Methoden siehe unten.
Die Sonstigen Methoden wurde von den Autor:innen zusammengefasst: X65 (Alkohol), X66 (organische Lösungsmittel), X68 (Schädlingsbekämpfungsmittel), X69 (nicht näher bezeichnete Chemikalien), X75 (Explosivstoffe), X77(Wasserdampf, heiße Dämpfe), X78 & 79 (scharfer & stumpfer Gegenstand), X82 (absichtlich verursachter Verkehrsunfall), X83 & 84 (nicht näher bezeichnete Art und Weise).
Besonders auffällig ist die hohe Anzahl der unklaren Todesursachen.
Auffällig ist der annähernde Verdoppelung der Suizide durch Medikamente seit 2020 um 98% von 1.013 auf 2.002 Fälle. Der Anstieg lässt sich überwiegend auf die „Vorsätzliche Selbstvergiftung durch und Exposition gegenüber sonstige(n) und nicht näher bezeichnete(n) Arzneimittel(n), Drogen und biologisch aktive(n) Substanzen“ zurückführen.
Es ist zu klären, ob und in welchem Umfang sich Assistierte Suizide hinter diesem Anstieg verbergen können.
Es gibt keine Dokumentation über die beim Assistierten Suiziden Deutschland verwendeten Medikamente. Aus Berichten und einer Studie 1 wissen wir jedoch, das oft bestimmte Barbiturate (X61, X62) und ein Malariamittel (X64) beim assistierten Suizid verwendet werden. In der Tat findet sich der Anstieg der Suizide durch Medikamente ab 2020 im Bereich dieser Kodierungen.
1 S. Gleich et al (2024) Assistierte Suizide in München: angewendete Arzneistoffe und Dokumentierte Komplikationen. https://doi.org/10.1007/s00194-024-00725-5
Assistierte Suizide werden vom Statistischen Bundesamt nicht gesondert ausgewiesen. Deshalb sind hier die Angaben von drei Vereinen, die assistierten Suizide anbieten, aufgeführt. Demnach stieg die Anzahl der assistierten Suizide von 340 Fällen im Jahr 2021 auf 977 Fälle im Jahr 2024 um 287 %. Da nicht alle Anbieter von Suizidassistenzen Daten veröffentlichen und auch die Datenqualität unbekannt ist, dürfte die Zahl der assistierten Suizide insgesamt deutlich höher liegen. Jedoch geben die vorhandenen Daten einen Eindruck von der Zunahme der Fälle von begleiteter Selbsttötung. Aufgrund der vorliegenden Daten können wir davon ausgehen, dass derzeit mehr als jeder zehnte Suizid mit Assistenz einer anderen Person erfolgt.
Fast jeder fünfte Suizid wird mittlerweile durch Medikamente begangen. Der Anteil der jeweiligen Suizidmethoden an der Gesamtzahl der Suizide ist in den letzten 20 Jahren relativ stabil geblieben. Die Verringerung des Anteils des Erhängens an der Gesamtzahl der Suizide sollte nicht vorschnell interpretiert werden. In absoluten Zahlen liegt die Methode des Erhängens innerhalb der Schwankungsbreite der letzten Jahre. Sollte jedoch die Anzahl der Suizide durch assistierte Suizide steigen, würde dies statistisch den Anteil anderer Methoden wie z. B. des Erhängens verringern.
Assistierte Suizide werden vom Statistischen Bundesamt nicht gesondert ausgewiesen. Es ist nicht dokumentiert, in welcher Art und Weise sie in der Todesursachenstatistik erfasst werden.
Bei Personen ab 65 Jahren ist Erhängen die häufigste Suizidmethode, gefolgt von Medikamenten.
Bei den bis zu 64-Jährigen ist Erhängen ebenfalls die dominierende Methode, jedoch sterben Jüngere darüber hinaus häufiger durch Gase oder auf Bahngleisen.
In den letzten Jahren ist ein deutlicher Anstieg der Suizide durch Medikamente und Schusswaffen bei Personen über 65 Jahren zu verzeichnen.