Suizidstatistiken in Deutschland

Jedes Jahr veröffentlicht das Statistische Bundesamt die Todesursachenstatistik für Deutschland. Das NaSPro publiziert regelmäßig eine graphische Darstellung der Entwicklungen der Suizidstatistik. 

Den aktuellen Foliensatz für das Jahr 2023 können Sie hier downloaden.

 

Suizide in Deutschland 2023

Die folgenden Angaben zu den vollendeten Suiziden 2023 beziehen sich auf die Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes, welche jährlich aktualisiert wird. Die Angaben beruhen auf der Auswertung der Todesbescheinigungen. Die Todesursachen werden in den Bundesländern für die dort gemeldeten Einwohner dokumentiert und an das Statistische Bundesamt gemeldet. Da Daten zu den Suizidversuchen nicht systematisch erhoben werden, sind die hier gemachten Angaben Schätzungen auf Basis der Ergebnisse in kleineren Erhebungsgebieten wie beispielsweise im Rahmen der Studie „Monitoring Suicidal Behaviour in Europe“  (publiziert in Schmidtke et al. 2001, 2004).

Das Statistische Bundesamt ist gemäß §16 Bundestatistikgesetz dazu verpflichtet, Daten, die Rückschlüsse aus Einzelpersonen zulassen, unkenntlich zu machen. Dies ist immer dann der Fall, wenn drei oder weniger Fälle in einer Zelle verzeichnet sind. Die Autorinnen haben sich entschieden, diese sogenannten Geheimhaltungsfälle in der Statistik mit dem Wert „null“ zu führen, sodass es zu minimalen Abweichungen in den Darstellungen kommen kann.

Die Auswertungen des statistischen Bundesamtes sehen nur die Kategorien „männlich“ und „weiblich“ vor, sodass keine Angaben zu Menschen gemacht werden können, die sich nicht dem binären System zuordnen.

Die Anzahl der Suizide und die jeweilige Suizidziffer sind immer das Ergebnis sehr unterschiedlicher und gegenläufiger oder sich aufhebender Gegebenheiten.

Einfluss auf die Suizidhäufigkeit haben u.a.:
•Der Zustand und die Entwicklung der medizinischen Versorgung.
•Die demographische Entwicklung.
•Sozioökonomische Entwicklungen.
•Regionale Besonderheiten.
•Die Berichterstattung in den Medien.
•Die Verfügbarkeit und die Bekanntheit von Suizidmethoden.
•Die Form und Zuverlässigkeit der Ausstellung der Todesbescheinigungen.
•Suizidpräventive Initiativen.
•...
Vor diesem Hintergrund verbieten sich eine vorschnelle Interpretationen der vorliegenden Daten. Diese ist erst nach einer genaueren wissenschaftlichen Analyse möglich.

Die Verwendung der Folien sind mit Quellenangabe erlaubt.

10.304 Menschen starben in Deutschland im Jahr 2023 durch Suizid. * Weit über 100.000 Menschen unternahmen im Jahr 2023 einen Suizidversuch. * Etwa 61.000 Menschen verloren im Jahr 2023 einen ihnen nahestehenden Menschen durch Suizid. Nicht selten benötigen auch sie Unterstützung (nach Angabe der WHO sind von einem Suizid im Durchschnitt mindestens sechs nahe stehende Menschen betroffen). **

Das bedeutet ***:

- Alle 51 Minuten nimmt sich ein Mensch selbst das Leben.
- Alle 5 Minuten findet ein Suizidversuch statt.
- In den letzten 10 Jahren starben über 96.600 Menschen durch Suizid.
- In den letzten 10 Jahren gab es in Deutschland weit über 1 Million Suizidversuche.
- In den letzten 10 Jahren sind in Deutschland zwischen 500.000 und 1 Million. Menschen von dem Suizid eines ihm nahe stehenden Menschen betroffen
- Alle 9 Minuten verliert in Deutschland jemand einen nahe stehenden Menschen durch Suizid

* Die Angaben über vollendete Suizide beruhen auf den Angaben des Statistischen Bundesamtes vom November 2021. Da Daten zu den Suizidversuchen nicht systematisch erhoben werden, sind die Angaben Schätzungen auf Basis der Ergebnisse in kleineren Erhebungs-gebieten im Rahmen der Studie „Monitoring Suicidal Behaviour in Europe“  (publiziert in Schmidtke et al. 2001, 2004). ** Die Angabe von 6 betroffenen Angehörigen durch einen Suizid beruht ursprünglich auf einer Behauptung von Shneidman (1973) und tradierte sich als Schätzung bis hinein in WHO Publikationen. Eine erste Überprüfung von Berman (2011) ergab, dass die Schätzung den Kreis sehr nahestehenden Betroffenen relativ gut erfasste, dass aber durchaus darüber hinaus noch weitere Menschen betroffen sind. *** Weitergehende Berechnungen durch K. Wache & G. Fiedler.

Einflüsse auf die Häufigkeit von Suiziden

Die Anzahl der Suizide und die jeweilige Suizidrate sind immer das Ergebnis sehr unterschiedlicher, gegenläufiger oder sich aufhebender Bedingungen.

Beispiele für Faktoren, die sich positiv oder negativ auf die Suizidraten auswirken können.

Die Suizidrate oder Suizidziffer ist die Berechnung der Anzahl der Verstorbenen  bezogen auf 100.000 Lebende der jeweiligen Gruppe. Auf diese Weise werden auch unterschiedlich große Gruppen vergleichbar. Weitere Standardisierungen (z.B. altersstandardisierte Daten) werden in der folgenden Darstellung nicht verwendet.

 

Vergleich zu anderen Todesursachen

In Deutschland starben im Jahr 2023 deutlich mehr Menschen durch Suizid (10.304) als durch Verkehrsunfälle, Mord und Totschlag, illegale Drogen und AIDS zusammen (~7.393).

Entwicklung der Zahlen

Im Jahr 2023 ist die Gesamtzahl der Suizide um 185 Fälle auf 10.304 um 1,8 % gestiegen. 

Der Anteil der Männer an den Suiziden beträgt 72,6  %. Der stärkste Rückgang der Suizidhäufigkeit war in den 1980er Jahren zu verzeichnen. Vom Höchststand 1981 (18.825 Fälle) ging die Zahl der Suizide um 41% auf 11.065 Fälle im Jahr 2000 zurück. Bis zum Jahr 2021 ging die Zahl der Suizide um weitere 18% auf 9.215 Fälle zurück. Seit 2021 stieg die Suizidrate um 11,6%. 

In dieser und den folgenden Abbildungen sind die Daten von 1980 bis 2000 in Fünfjahresschritten dargestellt.


Die Entwicklung des Suizidgeschehens in Deutschland wird durch die Suizidziffer, d.h. die Anzahl der Suizide pro 100.000 Einwohner und Einwohnerinnen, genauer erfasst. Dadurch wird der Einfluss der unterschiedlichen Bevölkerungsgröße in den einzelnen Jahren ausgeglichen. Eine prozentuale Veränderung der Anzahl der Suizide kann sich deswegen von der Veränderung der Suizidrate unterscheiden.

Die Suizidrate insgesamt ist im Jahr 2023 gegenüber dem Wert von 12,1 im Vorjahr auf 12,2 gestiegen. Bei den Frauen stieg die Suizidrate von 6,2 auf 6,6%, bei den Männern sank sie leicht von 18,2 auf 17,9.

Bundesländer

Zwischen den Bundesländern gibt es große Unterschiede im Suizid-geschehen. Im Jahr 2023 hatten Sachsen-Anhalt (17,0), Sachsen (16,9) und Hamburg (14,6) die höchsten Suizidziffern. 

Am stärksten gestiegen ist die Suizidziffer in Bremen (+4,1) und Berlin (+2,2). NRW (9,0) und das Saarland (11,0) haben die niedrigste Suizidziffer. In acht Bundeländern gab es einen Rückgang der Suizidziffer. Hamburg hat die höchste Suizidziffer bei Frauen (9,5) und Sachsen-Anhalt bei Männern (27,0). Die niedrigste Suizidziffer hat Thüringen bei Frauen (4,5) und Nordrhein-Westfalen bei Männern (13,2).

Suizid im höheren Lebensalter

In Deutschland steigt die Suizidrate bzw. das Suizidrisiko mit dem Lebensalter an (sog. „ungarisches Muster“). Die Suizidrate der Männer ist in allen Altersgruppen deutlich höher als die der Frauen. Insbesondere steigt sie bei den Männern ab dem 70. Lebensjahr deutlich. Aber auch jede zweite durch Suizid verstorbene Frau ist älter als 60 Jahre. 

Beträgt die Suizidrate im Jahr 2023 bei den 20- bis 25-jährigen Männern 9,7 (Frauen: 2,8), so steigt sie bei den 85- bis 90-jährigen Männern auf 73,2 (Frauen: 22,3).


Auch in absoluten Zahlen übersteigt im Jahr 2023 die Anzahl der Suizide von Männern in allen Altersgruppen die Anzahl der Suizide von Frauen deutlich:

72,6% aller Suizide im Jahr 2023 entfallen auf Männer (7.478) und 27,4% auf Frauen (2.826).

Die deutliche Mehrheit der Suizide entfällt auf die Altersgruppe der über 50-Jährigen (73,4%, 7.624 Fälle).

72% der durch Suizid verstorbenen Männer (5389) und 79% der durch Suizid verstorbenen Frauen (2235) haben das 50. Lebensjahr überschritten.

Suizide im Jugendalter

Die beschriebene Rangfolge der Altersgruppen hat sich über die Jahre nicht verändert.

Im Vergleich zum Vorjahr gibt es einen minimalen Anstieg (+0,1) der Suizidrate bei den 5- bis 24-Jährigen und einen deutlichen Anstieg in der Altersgruppe ab 65 Lebensjahren (+1,4)

Ein drastischer Anstieg der Suizidrate im Zusammenhang mit der COVID19-Pandemie und der Zeit danach lässt sich für jüngere Menschen aus den vorliegenden Daten nicht ableiten.

Während der Anteil des Suizids an der Gesamtzahl der Sterbefälle im jungen Alter und im Alter bis 45 Jahren hoch ist, nimmt der Anteil mit steigendem Lebensalter deutlich ab. 

2023 waren 1,0% (+0,1%) aller Sterbefälle Suizide (im Jahr 2000 waren es 1,3%). Bei den jungen Menschen unter 25 Lebensjahren lag der Anteil der Suizide an den Sterbefällen bei 16,1% (+0,1%), bei den Menschen ab 65 Lebensjahren lag der Anteil bei 0,5% (+0,0%). In den jungen Lebensjahren gehört der Suizid zu den Haupttodesursachen.


Betrachtet man den Anteil der Altersgruppe 60+ an der Gesamtzahl der Suizide des jeweiligen Geschlechts, fällt auf, dass sich die Suizide insgesamt in das höhere Lebensalter verschieben. Insbesondere der Anteil der älteren Männer an der Gesamtzahl der Suizide der Männer steigt in den letzten Jahrzehnten deutlich an. 

Im Vergleich zum Jahr 2000 ist der Anteil der Männer im Alter von 60 Jahren und älter an den Männersuiziden stark angestiegen (von 35,5% auf 54,2%). Bei den Frauen lag der Anteil abgesehen von 2020 immer höher als bei den Männern und steigt seit 2021 deutlich an (auf 61,7%).


Im Jahr 2023 betrug das durchschnittliche Alter eines durch Suizid Verstorbenen 61,5 Jahre. Gegenüber dem Vorjahr ist es um 0,8 Lebensjahre gestiegen. Im Jahr 2000 lag es noch bei 53,9 Jahren. Der Anstieg des durchschnittlichen Sterbealters seit 2000 ist vor allem auf die Entwicklung bei den Männern zurückzuführen. 

Auffallend ist auch in dieser Statistik der besondere Anstieg bei den Frauen in den letzten beiden Jahren.

Der Suizid ist zunehmend ein Phänomen des höheren Lebensalters. 


Beim Vergleich der Suizidraten mit dem Vorjahr (2022) gab es bei den jüngeren nur in der Gruppe der 25 bis unter 30-jährigen einen leichten Rückgang, in den anderen Altersgruppen gab es kaum Veränderungen zum Vorjahr. 

In allen Altersgruppen gibt es einen Rückgang der Suizidrate im Vergleich zum Jahr 2000.

Die vorliegenden Daten geben auch hier keinen Hinweis auf einen bedeutsamen Einfluss der COVID19- Pandemie und der Zeit danach auf die Suizidhäufigkeit junger Menschen.


Beim Vergleich der absoluten Zahlen mit dem Vorjahr (2023) fällt auf, dass sie bei den jüngeren Menschen (10 bis bis unter 25 Jahre) nahezu gleich geblieben ist. und es bei über 25-jährigen Personen einen Rückgang gegeben hat.

Bei der kleinen Fallzahlen in den Altersgruppen können diese Veränderungen in der normalen Schwankungsbreite liegen.

In allen Altersgruppen gibt es einen deutlichen Rückgang der Anzahl der Suizide im Vergleich zum Jahr 2000.

Methoden

Bei den Suizidmethoden dominierte 2023 das Erhängen (4.234) deutlich. Es folgen Medikamente mit 1.871 Fällen, sonstige Methoden 1, (1.490), Sturz (947), Schusswaffen (699, fast ausschließlich Männer) und das „sich vor ein bewegendes Objekt legen“ (471). Danach folgen Gase (338), Ertrinken (201) und Suizid durch Rauch/ Feuer (50).

Nach wie vor ist Erhängen die mit Abstand häufigste Suizidmethode in Deutschland. 57% der Männer und 27% der Frauen wählen diese Methode. 


* Auflistung sonstiger Methoden siehe unten.


Unter Sonstige Methoden wurde von den Autorinnen zusammengefasst: X65 (Alkohol), X66 (organische Lösungsmittel), X68 (Schädlingsbekämpfungsmittel), X69 (nicht näher bezeichnete Chemikalien), X75 (Explosivstoffe), X77 (Wasserdampf, heiße Dämpfe), X78 & 79 (scharfer & stumpfer Gegenstand), X82 (absichtlich verursachter Verkehrsunfall), X83 & 84 (nicht näher bezeichnete Art und Weise). Besonders auffällig ist die hohe Anzahl der unklaren Todesursachen.


Auffällig ist der Anstieg der Suizide durch Medikamente seit 2020 um 85% von 1.013 auf 1.871 Fälle. Der Anstieg lässt sich überwiegend auf die „Vorsätzliche Selbstvergiftung durch und Exposition gegenüber sonstige(n) und nicht näher bezeichnete(n) Arzneimittel(n), Drogen und biologisch aktive(n) Substanzen“ zurückführen. 

Es ist zu klären, ob und in welchem Umfang sich Assistierte Suizide hinter diesem Anstieg verbergen können.  


Es gibt keine Dokumentation über die beim Assistierten Suiziden Deutschland verwendeten Medikamente. Aus Berichten und einer Studie 1 wissen wir jedoch, das oft bestimmte Barbiturate (X61, X62) und ein Malariamittel (X64) beim assistierten Suizid verwendet werden. In der Tat findet sich der Anstieg der Suizide durch Medikamente ab 2020 im Bereich dieser Kodierungen.

1 S. Gleich et al (2024) Assistierte Suizide in München: angewendete Arzneistoffe und Dokumentierte Komplikationen. https://doi.org/10.1007/s00194-024-00725-5

Assistierte Suizide werden vom Statistischen Bundesamt nicht gesondert ausgewiesen. Deshalb sind hier die Angaben von drei Vereinen die assistierte Suizide  anbieten aufgeführt. Demnach stieg die Anzahl der assistierten Suizide von 340 Fällen im Jahr 2021 auf 842 Fälle im Jahr 2023 um 247%.

Da hier nicht alle Anbieter von Suizidassistenzen Daten veröffentlichen und auch die Datenqualität unbekannt ist, dürfte die Zahl der assistierten Suizid insgesamt deutlich höher liegen. Jedoch geben die vorhandenen Daten einen Eindruck von der Zunahme der Fälle von begleiteter Selbsttötung.

Mittlerweile erfolgt fast jeder fünfte Suizid durch Medikamente.

Abgesehen davon ist der Anteil der jeweiligen Suizidmethoden an der Gesamtzahl der Suizide in den letzten 20 Jahren relativ stabil.

Assistierte Suizide werden vom Statistischen Bundesamt nicht gesondert ausgewiesen. Es ist nicht dokumentiert in welcher Art und Weise sie in der Todesursachenstatistik ausgewiesen werden.


Sowohl in der Altersgruppe 65+, wie bei den bis zu 64-jährigen ist das Erhängen die dominierende Suizidmethode, gefolgt durch Medi-kamente bei der Altersgruppe 65+.

Im Vergleich mit der älteren Gruppe sterben Jüngere häufiger durch Gase oder auf Bahngleisen. 

Auffallend ist, dass die überwiegende Anzahl der Suizide durch Schusswaffen von Menschen jenseits des 65. Lebensjahres (und zwar überwiegen von Männern) verübt wird.